Prof. Dr. Peter Bräutigam, Partner im Bereich Digital Business an unserem Münchener Standort über die Arbeit im IT-Recht.


(Erstveröffentlichung des Beitrags auf TalentRocket)

Lieber Peter, wie bist du zu Noerr gekommen?
Ich war schon als Referendar bei Noerr, damals noch Nörr Stiefenhofer Lutz. Nach meinem zweiten Staatsexamen bin ich dort wegen der spannenden internationalen Fälle geblieben und habe zunächst auf den Gebieten Wirtschaftsrecht, Franchiserecht, Gesellschaftsrecht und Erbrecht gearbeitet.

Wusstest du schon während des Studiums, dass du dich mit dem Bereich IT-Recht beschäftigen möchtest?
Während meines Studiums gab es das IT-Recht als solches noch gar nicht. Dies hat sich vielmehr später erst konkretisiert. Zusammen mit vielen Kollegen haben wir dann im Rahmen des Deutschen Anwaltvereins den Fachanwalt für IT-Recht aus der Taufe gehoben, der in der Satzungsversammlung am 03.04.2006 beschlossen wurde. Mein Einstieg zum IT-Recht kam 1996 über das Internet-Recht, hervorgerufen durch erste Anfragen amerikanischer Unternehmen nach der Rechtslage in Deutschland. Danach weitete sich das Tätigkeitsfeld immer mehr aus und umfasst nunmehr das Hard- und Software-Recht, Outsourcing, das E-Commerce-Recht, IT-Litigation, Providerverträge, Datenschutz, Datensicherheit und Mobile Business.

Seit wann hat Noerr einen eigenen Fachbereich IT-Recht? Und wie groß ist dieser Bereich?
Eine spezialisierte Gruppe von Kolleg/innen im IT-Recht (damals Internet-Recht) gab es schon von Anfang an. Formalisiert wurde dies im Rahmen einer organisatorischen Strukturierung 2010. Nach außen tritt diese Gruppe, die nunmehr 7 Partner, 2 Counsel, 9 Associates und einen Of Counsel umfasst, unter dem Namen "IT, Outsourcing & Datenschutz" auf.

Was interesiert dich im IT-Recht am meisten? Welche Schnittstellen zu anderen Bereichen gibt es?
IT-Recht ist eine Querschnittsmaterie, die viele Rechtsgebiete umfasst, wie z.B. das Urheberrecht, das Zivilrecht, das Marken-/Domain-Recht, das Telekommunikations-Recht sowie das öffentliche Recht (insbesondere e-Government) und das Prozessrecht. Dementsprechend haben wir bei unseren Fällen mit allen Fachbereichen unserer Kanzlei zu tun, z.B. beim Arbeitnehmerdatenschutz mit dem Arbeitsrecht, beim IT-Outsourcing mit dem Gesellschafts- und Steuerrecht, beim E-Commerce-Recht mit dem Vertriebs- und Zivilrecht (Commercial), bei der IT-Vergabe mit dem öffentlichen Recht (Regulatory) und bei IT-Litigation mit dem Prozessrecht/Litigation. Mittlerweile greift das IT-Recht auch auf Bereiche über, bei denen man es nicht erwartet hätte, so über das Thema "Industrie 4.0" auf das Produkthaftungsrecht und unter dem Stichwort "Digitaler Nachlass" auf das Erbrecht.

Welcher Fall war bisher der spannendste?
Es gibt nicht den spannendsten Fall schlechthin, sondern jeder für sich ist einzigartig und eine besondere Herausforderung. So ist es z.B. bei großen IT-Outsourcing-Fällen reizvoll, mit vielen verschiedenen Bereichen des Mandanten und anderen fachlichen und technischen Beratern koordiniert zusammenzuarbeiten, um ein mehrere Tausend Seiten umfassendes Vertragswerk nebst Dokumentation zu schaffen. Spannend ist aber auch, eine neue E-Commerce-Idee von der ersten Konzeptionierung bis zum Launch der Website rechtlich zu begleiten. Wieder eine andere Herausforderung ist es, für den Mandanten um das Urheberrecht an seiner Software vor Gericht zu streiten.

Welche Mandanten beraten Sie üblicherweise?
Unser Mandantenstamm reicht von großen internationalen Konzernen über DAX-Unternehmen bis hin zum Mittelstand. Nennen kann ich z.B. Air Berlin, McDonald's, Microsoft und Thomas Cook.

Mit welchen Gesetzen arbeitest du in diesem Bereich vorwiegend?
Das IT-Recht ist – wie gesagt – eine Querschnittsmaterie, und so beschäftigen wir uns mit einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Gesetzen. Sehr wichtig sind für uns das BGB, das Urhebergesetz, das Bundesdatenschutzgesetz, das Markengesetz, das Telekommunikationsgesetz, die Prozessordnungen sowie entsprechende europäische Rechtsakte, wie insbesondere die einschlägigen Richtlinien.

Was sind die Herausforderungen im IT-Recht und inwiefern sind mit der weltweiten Digitalisierung internationale Abkommen gefordert? Oder spielt sich dies eher auf europäischer Ebene ab?
Die Digitalisierung und weltweite Vernetzung schreien nach einer Vereinheitlichung des Rechts. Aus deutscher Sicht sind deshalb die Aktivitäten auf EU-Ebene zentral. Als Beispiel möchte ich nur die Diskussion um die Neue Europäische Datenschutzgrundverordnung anführen, die ein EU-weites einheitliches Datenschutzrecht schaffen wird. Mit Europa ist es allerdings nicht getan. Als nächster Schritt muss der Dialog zu den USA in diesem Bereich weiter forciert werden. Angesichts der unterschiedlichen Kulturen auf unserer Welt, bleibt allerdings eine komplette Harmonisierung ein noch ferner Traum.

Welche Anforderungen muss ein IT-Rechtsanwalt erfüllen – sollte man eine Affinität zu IT / Telekommunikation / Internet haben?
Da gute juristische Arbeit immer mit der genauen Analyse des Sachverhalts beginnt, ist eine Affinität zu IT- und Telekommunikations-Sachverhalten sehr wichtig. Selbst programmieren muss man freilich nicht können.

Welchen Rat kannst du jungen Jurist/innen geben, die sich gerne im IT-Recht spezialisieren möchten?
Ganz wichtig ist eine solide allgemeine juristische Ausbildung. Weil uns der technische Fortschritt der IT stets mit neuen Phänomenen konfrontiert, muss man sein Handwerkszeug beherrschen. Wer schon an der Uni tiefer einsteigen möchte, dem seien IT-rechtliche Schwerpunktstudiengänge zu empfehlen, wie sie zum Beispiel an den Universitäten Passau, Göttingen, Münster, Oldenburg, Hannover oder Düsseldorf angeboten werden.

Welche ist deine Lieblingssoftware/-App/-IT-Unternehmen?
Als Spezialist in diesem Bereich bin ich hier von sehr vielen IT-Ideen, Geschäftsmodellen, coolen Apps begeistert. Besonders faszinierend finde ich, wie schnell revolutionäre Ideen im Internet weltweit erfolgreich sind. Haben Unternehmen früher über 100 Jahre gebraucht, um eine große Käuferschicht anzusprechen, geht das im e-Business nun in Jahren.

**Herzlichen Dank für deine Zeit, Peter!""

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